Die Wirkung diskriminierender Sprache
Rassismus spiegelt sich auch in unserem Sprachgebrauch wider und wird durch Sprache (re-)produziert. Sprache ist vielfältig, sie schafft Realitäten, Gegenwart und Vergangenheit. Sprache schafft Zugänge und Ausschlüsse (Isolation). Somit ist Sprache ein mögliches Instrument zur Verständigung, aber auch zur Ausgrenzung/Diskriminierung. Es ist daher wichtig, sich der möglichen Wirkungen und der Kraft von Sprache bewusst zu werden. Sie kann Bilder und Assoziationen erzeugen. Sie strukturiert alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens: Ein Mensch, eine Frau, ein:e Muslim:in, ein:e Geflüchtete:r, ein:e Alkoholiker:in; welche Vorstellungen werden mit diesen Begriffen verknüpft? Sprache ist nicht unveränderlich, sondern etwas, auf das wir alle täglich Einfluss nehmen. In diesem Kontext kann Sprache als zentrales Element zur Weitergabe symbolischer normativer Orientierungen gelten (Schilling 2018). Sprache wandelt sich ständig und ist Ausdruck von Wert- und Normvorstellungen. Wie wir wen oder was bezeichnen, ist eng verbunden mit unserem Bild von anderen Menschen und unserer Beziehung zu ihnen. Eine rassistische Sprachpraxis geht dabei weit über die Nutzung einzelner problematischer Begrifflichkeiten hinaus.
Wie kann rassistische Sprachpraxis aussehen?
- Fremdbezeichnungen nutzen
- Ignorieren von Selbstbezeichnungen
- Menschen bei bestimmten Belangen nicht nach ihren Ansichten fragen
- Menschen nur zu bestimmten Themen befragen (Migration, Religion u.a.)
- Redeanteile ungleich verteilen (z.B. in Schulbüchern, Nachrichten, Vortragsreihen, Talkshows)
- Ins Wort fallen
- Assoziationen hervorrufen durch rassistische Vergleiche (mit Lebensmitteln, Tieren u.a.)
- Negieren von Wandelbarkeit unserer Sprachen: „Heutzutage darf man ja gar nichts mehr sagen“
- Whataboutism: Gesprächsverlauf stören/abbrechen, indem auf anderweitige (vermeintlich wichtigere) Diskriminierungsformen oder Themen hingewiesen wird
- Nicht ernst nehmen oder anzweifeln von Hinweisen auf rassistische Ausdrucks-/ Verhaltensweisen
- Benennen physischer Merkmale in Verbindung mit der vermeintlichen „Herkunft“ von nicht-weißen Täter:innen in der Berichtserstattung über Straftaten
- Offizielle Dokumente, wie z.B. Anträge und andere Unterlagen mit komplexen und fachspezifischen Formulierungen, lediglich in Deutscher Ausführung bereitstellen (z.B. in Arztpraxen oder Ämtern)
Gut zu Wissen
Solche Sprachpraxen sind häufig Ausdruck rassistischer Diskriminierung und wirken nach dem bereits vorgestellten Schema
MARKIEREN
DIFFERENZIEREN
HIERARCHISIEREN
AUSSCHLIEßEN
Begrifflichkeiten
Sprache präsentiert sich gern in einem Gewand von Geschichtsvergessenheit und überheblicher Meinungsmache. Durch ihren unsensiblen Gebrauch kann sie diskriminierend sein – gegen diejenigen, die nicht mit Wörtern bedacht sind und es nie wurden oder mit solchen Wörtern, die Machtverhältnisse zum Ausdruck bringen, abwertend und degradierend sind und längst nicht mehr zeitgemäß. Damit hat Sprache auch immer etwas mit der (Un)-Sichtbarkeit von bestimmten gesellschaftlichen Individuen, Gruppen oder Verhältnissen zu tun. Normvorstellungen, die längst überkommen sind, blenden gewisse Realitäten aus und entziehen den nicht, nicht richtig oder nicht ausreichend Repräsentierten unter Umständen die Grundlage für ein selbstbestimmtes Dasein. Ein kritischer und sensibler Sprachumgang erfordert das beständige Hinterfragen von Ursprung und Wirkung von Begriffen, da deren Verwendung immer auch Bilder im Kopf erzeugen. Insbesondere die aus der Kolonialzeit sprachlich überlieferten Begriffe sind in ihrer Zielrichtung häufig abwertend, diskriminierend und ausgrenzend. Es gibt eine Reihe von Nachschlagewerken und Glossaren, die bei Unsicherheiten herangezogen werden können. Ebenso ist es wichtig, die Selbstbezeichnungen von Menschen mit Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen zu verwenden. Die folgende Übersicht wurde in einem Seminar von Lehramtsstudierenden auf der Grundlage des Nachschlagewerks „Wie Rassismus aus Schulbüchern spricht“ erstellt.
Aufgabe
Suche einen Artikel aus einem dir bekannten journalistischen Magazin heraus. Untersuche ihn auf die oben genannten Sprachpraxen. Welche kannst du finden? Zu folgenden Themen solltest du eine Bandbreite an Artikeln finden, die potentielle Quellen diskriminierender Formulierungen und Sprachpraxen sind.
- Migration
- Flucht
- Covid 19 Pandemie
- Armut
- Kriegerische Konflikte
- ….
Lesestoff
MATERIAL ZU DISKRIMINIERUNGS- UND RASSISMUSSENSIBLER SPRACHE
Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache (3. Auflage, 2019), Hrsg.: Susan Arndt / Nadja Ofuatey-Alazard
Das Ziel des Buches besteht darin, herauszuarbeiten, wie weiße Europäer*innen kolonialistisches und rassistisches Denken erschaffen und es in Wissensarchiven und ihren Begriffen konserviert haben, durch welche es bis heute wirkmächtig ist. Folgerichtig werden hier Kernbegriffe des weißen westlichen Wissenssystems diskutiert, um das Zusammenwirken von Rassismus, Wissen und Macht aufzuarbeiten. Diese Ausführungen werden grundiert durch theoretische Erörterungen zu Kolonialismus und Rassismus und ergänzt um alternative widerständige Benennungswege.
Glossar der Neuen deutschen Medienmacher. Formulierungshilfen für einen diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch in der Bildungsarbeit in der Migrationsgesellschaft. (2. Auflage, 2016), Hrsg: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA)
IDA e. V. und die Neuen deutschen Medienmacher haben ihr Glossar mit Formulierungshilfen für einen diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch in der Migrationsgesellschaft erweitert und für den Einsatz in der Bildungsarbeit weiterentwickelt und neu aufgelegt. Das Glossar ist auch online abrufbar und wird kontinuierlich erweitert und aktualisiert.
Rassismus auf gut Deutsch. Ein kritisches Nachschlagewerk (2. Auflage, 2013), Hrsg.: Adibeli Nduka-Agwu / Antje Lann Hornscheidt
Sprache wird meist als ein neutrales, abbildendes Medium gesehen. Tatsächlich aber kommt Diskriminierung in verschleierter und übertragener Weise weit häufiger vor, als es auf den ersten Blick erscheint. Während manche Begriffe sicherlich in jeder Verwendung rassistisch sind, werden andere erst durch die Art ihrer Verwendung dazu. Dieser Band trägt dazu bei, unbewussten oder »gut gemeinten» Rassismus in alltäglichen Sprachpraktiken mit konkreten Beispielen aufzudecken, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie und wodurch Sprache rassistisch aufgeladen wird und welche Alternativen es gibt.