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Abschnitt 1 (Block 3): Etablierung von Hierarchien

Generalisierung statt Differenzierung

Um hierarchische Strukturen zu etablieren, werden Länder in Schulbüchern zunächst meist homogenisiert, um sie anschließend mit bestimmten Attributen zu verknüpfen. Ein auffälliges Merkmal dabei ist die Komplexitätsreduktion. In Schulbüchern wird oft versucht, komplexe Situationen inhaltlich reduziert aufzubereiten und so letztlich möglichst nur noch eine Darstellung einer Situation stehen zu lassen. Dieser Hang zur Komplexitätsreduktion äußert sich bspw. in den vielen Modellen, die in Schulbüchern auftauchen und Problemlagen generalisiert beschreiben (z.B. Hunger-Armut Teufelskreis, Folgen von Unterernährung, Ursachen für Bevölkerungswachstum, Gründe für Migration, Auswirkungen von Kinderarbeit usw.). Solche Generalisierungen und Modellierungen können den Eindruck einer umfassenden Darstellung erwecken und werden in Schulbüchern nur selten problematisiert bzw. dekonstruiert.

So findet eine inhärente Ausdifferenzierung oder Nennung nicht abgebildeter Aspekte zumeist nicht statt. Eine solche inhaltliche Reduktion geht mit einer selektiven Darstellung einher. Die Schulbuchautor:innen entscheiden selbst, welche Aspekte als wichtig und repräsentativ erachtet und in welcher Form diese dargestellt werden. Dabei kann es passieren, dass implizite Wertungen und Hierarchisierungen suggeriert werden und bestimmten Ländern eine Überlegenheit gegenüber anderen unterstellt wird. Solche Hierarchisierungen müssen nicht explizit formuliert werden, um ihre Wirkung zu entfalten, vielmehr schwingen sie oft zwischen den Zeilen mit, äußern sich in der Formulierung von Arbeitsaufträgen oder werden erst im Vergleich bestimmter Kapitel deutlich. Mit welchen Mechanismen globale Machtverhältnisse in Schulbüchern ausgedrückt werden, ist Gegenstand des zweiten und dritten Abschnitts.

Das Icon zeigt einen Laptop, aus dem Sprechblasen gefüllt mit Ausrufezeichen und Buchstaben hreauskommen.

Warnung

Dies ist eine Triggerwarnung für explizite Inhalte.

Warnung

Trotz aller Versuche, diskriminierende Sprache und Bilder möglichst nicht zu reproduzieren, sprechen wir an dieser Stelle eine Trigger- / Contentwarnung aus. Es werden auf den folgenden Seiten immer wieder pauschalisierende Bezeichnungen wie „Entwicklungsland“ oder „Globaler Norden“ verwendet.
Auf diese Begrifflichkeiten wird nicht verzichtet, da diese Wörter in Schulbüchern weit verbreitet sind und die Konstruktion von Machtverhältnissen maßgeblich beeinflussen.


Homogenisierung & Oppositionierung

Hierarchische Machtverhältnisse fußen auf vergleichenden Gegenüberstellungen bestimmter Länder oder Regionen. Um solche Vergleiche anstellen zu können, müssen jene Gebiete zunächst beschrieben werden. Der dabei relevante Aspekt der Komplexitätsreduktion wurde ebenso wie das Wirken stellvertretender Single Stories bereits angesprochen. Die Tendenz eher zu pauschalisieren anstatt zu differenzieren ist in Schulbüchern deutlich zu erkennen. Allgemeingültige Beschreibungen von Menschen und Ländern sind häufiger anzutreffen, als die Erwähnung sozialer oder räumlicher Disparitäten.

Zusätzlich zu dieser nationalen bzw. regionalen Pauschalisierung und Homogenisierung finden in Geographie- Schulbüchern dieselben Prozesse auch länderübergreifend, anhand überwiegend wirtschaftlicher Kriterien, gemäß der Kategorien „Entwicklungsland“ und „Industrieland“ statt. Nicht selten lassen sich pauschalisierende Formulierungen, wie die unten aufgeführten Beispiele, in Schulbüchern finden. Solche allgemeinen Aussagen über Länder eines „Entwicklungsstands“ oder gar eines ganzen Kontinents werden in der Regel nicht mit konkreten Zahlen belegt und auch nicht räumlich oder sozial ausdifferenziert.

Es findet eine Oppositionierung anhand der Kategorie „Entwicklung“ statt. Diese Kategorie impliziert eine Hierarchisierung im Sinne von gesellschaftlichem Fortschritt, internationalen politischen Machtverhältnissen und technologischer und wirtschaftlicher Überlegenheit. Die mangelnde Ausdifferenzierung von Problemlagen (besonders im „Globalen Süden“) kann dazu führen, dass Schüler:innen die Welt kognitiv in zwei Klassen einteilen und diese beiden Klassen mit undifferenzierten und pauschalisierenden Attributen verknüpfen. Konkrete Fakten geraten dabei in den Hintergrund und weichen allgemeinen Zuschreibungen wie bspw. arm, korrupt, schlecht organisiert, infrastrukturell mangelhaft, ungebildet etc. Nationale Gegebenheiten sowie räumliche und soziale Disparitäten verschwimmen unter der Klassifizierung „Entwicklungsland“.

„In vielen Ländern dort [Afrika] gibt es keine staatliche Altersvorsorge, keine Arbeitslosen- und keine Krankenversicherung.“

Bahr, M. et al. (2020): 16.

„Als Erwachsene sollen sie [Mädchen] vor allem die Rolle als Ehefrau und Mutter einnehmen. Deshalb werden sie früh verheiratet und haben oft schon vor dem 18. Lebensjahr ihr erstes Kind geboren.“

Bahr, M. et al. (2020): 16.

„Aufgrund hoher Geburtenrate, unzureichender Bildung und einer starken Ausrichtung auf die Landwirtschaft verfügt die Bevölkerung [in Entwicklungsländern] nur über ein geringes Pro-Kopf-Einkommen. Armut, Hunger und Krankheiten sind die Folgen.“

Flath, M. et al. (2017): 51.

„Sie [von Armut Betroffene] werden, um ihr Überleben zu sichern, bei der Nutzung von Ressourcen kaum Rücksicht auf ihre Umwelt oder auf nachfolgende Generationen nehmen.“

Brameier, U. et al. (2007): 307.
Das Icon zeigt eine Teekanne, aus der viele Konfetti herausspringen.

Reflexion

Dies ist ein Anreiz zur Reflexion.

Reflexionsaufgabe

Überlege dir, wie im Unterricht mit Materialien umgegangen werden kann, die pauschalisierende Beschreibungen reproduzieren.
Was lässt sich auch aus solchen Materialien lernen?

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